Fürst Otto zu Stolberg-Wernigerode

Zuletzt geändert am 5. Juni 2022 von Birk Karsten Ecke

Otto zu Stolberg-Wernigerode wurde am 30. Oktober 1837 in Gedern in Hessen geboren. Er studierte Jura und Verwaltungswissenschaften in Göttingen und Heidelberg. Danach diente er in der preußischen Armee. Bereits 30jährig übernahm er auf Empfehlung Bismarcks das Amt des Ersten Oberpräsidenten der neu ins Leben gerufenen Preußischen Provinz Hannover, das er bis 1873 innehatte. Ab 1867 hatte er einen Sitz im Norddeutschen Reichstag.

1871 wurde er in den Deutschen Reichstag gewählt, in dem er bis 1778 saß. Im gleichen Zeitraum war er Präsident der Ersten Kammer des Preußischen Landtages. Graf Otto zu Stolberg-Wernigerode muss bei Fürst Otto von Bismarck einen großen Eindruck hinterlassen haben, denn er war es, der die Ernennung des Grafen zum preußischen Botschafter am Wiener Hof durchsetzte. Nach diesem zweijährigen Auslandseinsatz wurde er im Mai 1878 Vizekanzler und Vizepräsident des preußischen Staatsministeriums und damit nach Fürst Otto von Bismarck Bismarck der wichtigste Mann im Deutschen Reich. 1879 gelang es ihm, Kaiser Wilhelm I. für den Zweibund zu gewinnen ((Der Zweibund, das Bündnis zwischen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie und dem Deutschen Reich, wurde am 7. Oktober 1879 geschlossen. Er verpflichtete beide Mächte, bei einem Angriff Russlands einander mit ihrer gesamten Kriegsmacht beizustehen. Das Bündnis wurde von Otto von Bismarck und Gyula Graf Andrassy ausgehandelt. Hintergrund des Bündnisses waren Verstimmungen zwischen Russland und Preußen infolge des Berliner Kongresses, der vom 13. Juni bis zum 13. Juli 1878 stattfand. Auf Grund dieses Kongresses verlor das Osmanische Reich einen Großteil seines europäischen Territoriums, zum Beispiel Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina, Rumänien und Teile Bulgariens. Russlands Einfluss wurde zu Gunsten der Österreich-Ungarischen Monarchie stark eingeschränkt. Es ist klar, dass die entstandene territoriale Ordnung für Russland und das Osmanische Reich unbefriedigend war. Bismarck sprach in diesem Zusammenhang vom „Offenhalten des orientalischen Geschwürs“.)).

Bild: Fürst Otto zu Solberg-Wernigerode. Dieses Bild ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

Bild: Fürst Otto zu Solberg-Wernigerode.
Dieses Bild ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

1881 endete seine Vizekanzlerschaft, weil es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten mit Bismarck kam. Dennoch blieb Otto zu Stolberg-Wernigerode ein loyaler Preuße und dem Kaiserhause in enger Freundschaft verbunden. Otto blieb Oberkämmerer und stellvertretender Minister des Hauses Preußen. Für seine politischen Leistungen wurden ihm zahlreiche Orden verliehen. 1890 erhielt Otto zu Stolberg-Wernigerode den Fürstentitel. Das Wirken des Fürsten Otto zu Stolberg-Wernigerode muss im Kontext mit der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gesehen werden.

In diese Zeit fällt die politische Emanzipation Deutschlands, das unter der Führung eines starken Preußens nun wieder eine bedeutende Rolle in der europäischen Politik zu spielen begann. Der Sieg über Frankreich im Jahre 1871 und die darauf folgende Reichsgründung waren die Folge einer konsequent betriebenen Expansionspolitik. Das in diesen Jahren neu erstandene Deutsche Reich wurde aus blutigen Kriegen aber auch aus geschickten diplomatischen Verträgen und Bündnissen geschmiedet. Nicht zuletzt deshalb, weil damals – allerdings nur für wenige Jahre – anders als zu allen späteren Zeiten die politische Macht in den Händen umsichtiger und fähiger Persönlichkeiten lag ((Ich schreibe hier bewusst: „Persönlichkeiten“ und nicht: „Politiker“.)).

Technik, Landwirtschaft und Handel nahmen einen noch nie gesehenen Aufschwung. Dabei blieb – wie so oft auch später – die große Klasse der Arbeitenden auf der Strecke, sie mussten zwar in den zahlreichen Kriegen stets ihre Knochen für die Interessen ihres Landesherren hinhalten, lebten weiterhin aber in unvorstellbarem Elend. Otto von Stolberg-Wernigerode, in genauer Kenntnis der inneren Zustände des Reiches, forderte noch vor Bismarck eine: „… weitere Ausdehnung und umfassende Organisation des Hilfskassenwesens, Verbesserung des Haftplichtgesetzes und darüber hinaus überhaupt die Ausdehnung der gesetzlichen Fürsorge für das sittliche, geistige und leibliche Wohl der Arbeiter.“

Mit Bismarcks Sozialistengesetzen von 1878 war er, obwohl er ihnen zustimmte, nicht einverstanden. Wahrscheinlich hat er Bismarcks Versagen in diesem Fall vorausgesehen. Siehe dazu auch ((Das Sozialistengesetz ist die Bezeichnung für das Gesetz „Wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“. Auf Betreiben Bismarcks beschlossen, nachdem zwei Attentate auf Kaiser Wilhelm I. gescheitert waren, hatten die Gesetze das Ziel, die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) zu zerschlagen. Betroffen waren alle sozialdemokratischen, sozialistischen und gewerkschaftlichen Vereinigungen. Die Abgeordneten der Sozialistischen Arbeiterpartei, es waren neun, durften aber weiterarbeiten. Die SAP durfte sich auch weiterhin an Reichstagswahlen beteiligen. Das Gesetz wurde, obwohl zuerst auf zwei Jahre befristet, bis 1890 regelmäßig verlängert. Das zwang die Sozialdemokraten in den Untergrund: Turn-, Sport-, und Radfahrvereine entstanden, in denen die Arbeit fortgeführt wurde. Der Erfolg der Sozialdemokraten ließ sich trotz dieser Maßnahmen nicht aufhalten. Ganz im Gegenteil: 1890 war die nun Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) genannte Partei die meist gewählte Kraft im Reichstag.)). Sein Engagement diente aber letztlich dazu, durch Zugeständnisse den wachsenden Einfluss der Sozialdemokraten zurückzudrängen. Nicht zuletzt war Otto zu Stolberg-Wernigerode Mitglied des „Verbandes zur Verbesserung der ländlichen Arbeitsverhältnisse“, der eigentlich nur dazu diente, die Großgrundbesitzer vor einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu bewahren.

Auch wirtschaftlich war Otto zu Stolberg-Wernigerode sehr erfolgreich. Sein Grundbesitz umfasste etwa 52000 Hektar ((Ein Hektar umfasst 10000 Quadratmeter. Das entspricht einer Fläche von 100 x 100 Metern.)). Dazu kamen industrielle Unternehmungen unter anderem in Hattingen, Ilsenburg und Magdeburg. Sein Einkommen betrug in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts etwa 1,5 Millionen Mark. Siehe dazu auch ((Zur Bewertung und zum Vergleich mit den Einkommen heutiger Top-Manager kann man folgende Lebensmittelpreise zu Grunde legen (Quelle: Preußisches Statistisches Landesamt, Jahr 1907). So kosteten 1907 jeweils 1000 kg, also 1 Tonne: Rindfleisch – 970,00 Mark; Schweinefleisch – 1150,00 Mark; Weizen – 203,00 Mark; Kartoffeln – 51,80 Mark.)). Da er wegen seiner politischen Ämter stets in den fortschrittlichsten Kreisen seiner Zeit verkehrte, sorgte er dafür, dass seine Grafschaft immer wirtschaftlich auf dem neuesten Stand blieb. Unter anderem ließ er Zuckerfabriken errichten. Die Produkte aus Ottos Eisenhütte in Ilsenburg errangen mehrere Goldmedaillen, unter anderem auf der Weltausstellung in Paris 1867 und der internationalen Ausstellung im Melbourne 1880/1881. Am 19. November 1896 verstarb Fürst Otto zu Stolberg-Wernigerode auf dem Schloss Wernigerode.

Kommentare sind geschlossen.