Der Große Deutsche Bauernkrieg und die Rolle des Predigers Thomas Müntzer in Mitteldeutschland

Zuletzt geändert am 5. Juni 2022 von Birk Karsten Ecke

Die Ursachen für den Großen Deutschen Bauernkrieg

Dem Großen Deutschen Bauernkrieg der Jahre 1524 bis 1526 gingen mehrere Bauernaufstände voran, so etwa im 13. und 14. Jahrhundert in der Schweiz und Flandern und im 15. Jahrhundert in Böhmen und wiederum einigen Kantonen der Schweiz. Die Ursache für all diese Erhebungen war die zunehmende Verschlechterung der Lebensumstände der Bauern. Die Bauern hatten die Hauptlast der Aufrechterhaltung der Feudalgesellschaft zu tragen.

Die Adeligen und der Klerus lebten bis auf wenige Ausnahmen von der Arbeitsleistung der Bauern. Es waren ein Großzehnt und ein Kleinzehnt abzuliefern ((Der Großzehnt war eine prozentuale Abgabe des Rohertrages an Getreide und Wein an den Grundbesitzer. Der Kleinzehnt erweiterte die Abgabenpflicht später auch auf andere Produkte. Während die Leistung des Großzehntes von den Bauern akzeptiert wurde, lehnten sie den Kleinzehnt jederzeit ab.)). Auf die danach übrig gebliebenen Einkünfte wurden diverse Steuern und Abgaben erhoben. Zusätzlich mussten Spanndienste und Handdienste beim Grundherren geleistet werden. Wenn dieser gerade ein Schloss oder eine Festung baute, waren diese Dienste besonders häufig und auch zu ausgesprochen ungünstigen Zeiten zu leisten.

Graf Ernst II. von Mansfeld zum Beispiel begann im Jahre 1518 mit dem Umbau des Schlosses Heldrungen zur Festung. Seine Bauern mussten zeitweise dafür ihre Felder brachliegen lassen und die Gräben ausheben. Um Baumaterial zu bekommen, ließ er einige Häuser in Heldrungen abtragen. Zu den Schikanen durch den Adel kam es im 15. Jahrhunderts zu einem massiven Preisverfall für landwirtschaftliche Produkte. Die Ursachen für diesen Preisverfall sind heute nicht mehr zu erklären.

Durch die Verschlechterung des Klimas kam es zudem zu häufigen Missernten. Außerdem wurde in vielen Staaten die Realerbteilung eingeführt. Das Erbe wurde zu gleichen Teilen unter allen Erbberchtigten aufgeteilt, was zu immer kleineren Höfen führte. Auch für den Adel war die Realerbteilung eine zunehmende Belastung. Da durch fortlaufende Erbteilungen und zunehmende Kleinstaaterei die Zahl der Adligen immer mehr zunahm, stieg auch die Abgabenlast auf den Bauernstand. All diese Umstände trieben immer mehr Bauern in die weitgehende Abhängigkeit ihrer Grundherren – bis hin zur Leibeigenschaft.

Bild: Bauern bei der Abgabe des Zehnten an ihren Grundherren. Holzschnitt aus dem 15. Jahrhundert. Dieses Bild ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

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Adel und Klerus beanspruchten zunehmend auch den Wald vollständig für sich: Es war den Bauern verboten, ihr Vieh zur Mast in die Wälder zu treiben. Es wurde untersagt, das Wild von den Feldern zu verjagen. Mancher Adelige ging sogar soweit, dass die Bauern ihren Hunden eine Vorderpfote auslösen mussten, damit diese nicht dem Wild hinterher jagen konnten. Herrschaftliche Jagden gingen oft über die Felder der Bauern. Damit wurde altes überliefertes Recht gebrochen. Interessant ist, dass die leibeigenen Bauern von sich aus selten gegen ihren Grundherren vorgingen, sondern der zunehmende Widerstand meist von der bäuerlichen Oberschicht ausging.

Bild: Ritter, Tod und Teufel von Albrecht Dürer. Dieses Bild ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

Bild: Ritter, Tod und Teufel von Albrecht Dürer.
Dieses Bild ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

Neben der Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation traf die Bauern auch eine zunehmende Verachtung durch alle anderen Gesellschaftsschichten. Der Adel – so die Vorstellung – war ohnehin von Gott erschaffen und damit über jede Kritik erhaben. Das entstehende Bürgertum hatte ebenfalls an Selbstbewusstsein gewonnen und einige reiche Kaufleute konnten sich sogar einen ihnen genehmen Kaiser kaufen.

Der Bauernstand aber galt als dumm, schmutzig und hinterhältig. Zeitgenössische Spielleute nannten die Bauern in ihren Stücken Heinz Mist oder Michael Nasenstank. Unglaublich, wenn man bedenkt, dass das damalige Reich ein Agrarstaat war und alle – Adel, Handwerker und Kaufmann – vom Bauern und dem Gelingen seiner Arbeit auf Gedeih und Verderb ausgesetzt waren. Der Bauer aber wurde betrogen und schikaniert, wo immer es ging.

Bild: Bauern im 15. Jahrhundert. Faksimile des Kupferstiches vom sogenannten MEISTER VON 1480. Dieses Bild ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

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Die Zwölf Artikel von Memmingen

Ab 1524 kam es insbesondere in Süddeutschland und Thüringen zu lokalen Erhebungen der Bauern. In diesen später allgemein als Großer Deutscher Bauernkrieg bezeichneten Aufständen formulierten die Führer der Bauern erstmals genau definierte Forderungen – die so genannten ZWÖLF ARTIKEL VON MEMMINGEN – gegenüber dem Adel. Der gerade aufgekommene Buchdruck ermöglichte eine für damalige Zeit unglaubliche Verbreitung dieser Artikel in Form von Flugblättern. Die Artikel zu lesen, ist sehr empfehlenswert, denn sie stellen sozusagen die erstmalige schriftliche Proklamation von Menschenrechten dar.

Wer der Urheber dieser Artikel ist, kann heute nicht mehr zweifelsfrei belegt werden. Sie werden entweder Wendel Hipler oder Sebastian Lotzer zugeschrieben. Der Historiker Wilhelm Zimmermann schrieb sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts auch dem Prediger und Bauernführer Thomas Müntzer zu. In jedem Fall sind die Zwölf Artikel von einer tiefen Bibelkenntnis geprägt – und alle Forderungen beruhen auf biblischen Texten. Der Reformator Martin Luther war gegen die Erhebung der Bauern und ermahnte sie zur Ruhe. Allerdings erkannte er auch die Rechtmäßigkeit zumindest einiger der Zwölf Artikel an, zementierte jedoch die feudalen Verhältnisse mit dem Glaubenssatz „Seid untertan der Obrigkeit“.

Bild: Gedruckte Flugschrift mit den Zwölf Artikeln von Memmingen. Dieses Bild ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

Bild: Gedruckte Flugschrift mit den Zwölf Artikeln von Memmingen.
Dieses Bild ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

Erster Artikel

Zum Ersten ist unsere demütige Bitte und Begehr, auch unser aller Wille und Meinung, dass wir nun fürhin Gewalt und Macht haben wollen, eine ganze Gemeinde soll einen Pfarrer selbst erwählen und kiesen (gemeint ist küren – der Autor) (1. Thimoth. 3), auch Gewalt haben, denselben wieder zu entsetzen, wenn er sich ungebührlich hielte (Tit. 1). Der erwählte Pfarrer soll uns das Evangelium lauter und klar predigen, ohne allen menschlichen Zusatz, Menschenleer und Gebot (Apost. 14). Denn das, das uns der wahre Glaube stets verkündiget wird, gibt uns eine Ursache, Gott um seine Gnade zu bitten, dass er uns denselben lebendigen Glauben einbilde und in uns bestätige (5. Mos. 17, 2. Moos. 31). Denn wenn seine Gnade in uns nicht eingebildet wird, so bleiben wir stets Fleisch und Blut, das dann aber nichts nutz ist (5. Mos. 10, Joh. 6), wie kläglich in der Schrift steht, dass wir allein durch den wahren Glauben zu Gott kommen können und allein durch seine Barmherzigkeit selig werden müssen (GAL. 1). Darum ist uns ein solcher Vorsteher und Pfarrer vonnöten und in dieser Gestalt in der Schrift gegründet.

Zweiter Artikel

Zum anderen, nachdem der rechte Zehent aufgesetzt ist im Alten Testament und im Neuen als erfüllt, wollen wir nichtsdestominder den rechten Kornzehent gern geben, doch wie es sich gebührt. Demnach man solle ihn Gott geben und den Seinen mitteilen (Hebräerbrief, Psalm 109). Gebührt er einem Pfarrer, der klar das Wort Gottes verkündet, so sind wir willens: Es sollen hinfür diesen Zehent unsere Kirchenpröpste, welche dann eine Gemeinde setzt, einsammeln und einnehmen, davon einem Pfarrer, der von einer ganzen Gemeinde erwählt wird, seinen ziemlichen genügsamen Unterhalt geben, ihm und den Seinen, nach Erkenntnis einer ganzen Gemeinde, und was übrigbleibt, soll man armen Dürftigen, so in demselben Dorf vorhanden sind, mitteilen nach Gestalt der Sache und Erkenntnis einer Gemeinde (5. Mos. 25, 1. Timoth. 5, Matt. 10 und Cor. 9). Was übrigbleibt soll man behalten, für den Fall, dass man von Landesnot wegen einen Kriegszug machen müsste; damit man keine Landessteuer auf die Armen legen dürfte, soll man es von diesem Überschuss ausrichten. Fände es sich, dass eines oder mehr Dörfer wären, welche den Zehnten selbst verkauft hätten, etlicher Not halber, soll der, welcher von selbigem zeigt, dass er ihn Inder Gestalt von einem ganzen Dorf hat, solches nicht entgelten, sondern wir wollen uns ziemlicherweise nach Gestalt der Sache mit ihm vergleichen (Luca 6, Matt. 5), ihm solches wieder mit ziemlichem Ziel und Zeit ablösen. Aber wer von keinem Dorfe solches erkauft hat und dessen Vorfahren sich selbst solches zugeeignet haben, denen wollen und sollen wir nichts weiter geben, sind ihnen auch nichts weiter schuldig, als wie oben steht, unsere erwählten Pfarrer damit zu unterhalten, nachmals ablösen oder den Dürftigen mitteilen, wie die Heilige Schrift enthält. Ob Geistlichen oder Weltlichen, den kleinen Zehent wollen wir gar nicht geben. Denn Gott der Herr hat das Vieh frei dem Menschen erschaffen (1. Mos. 1). Diesen Zehent schätzen wir für einen unziemlichen Zehent, den die Menschen erdichtet haben; darum wollen wir ihn nicht weiter geben.

Dritter Artikel

Zum dritten ist der Brauch bisher gewesen, dass man uns für Eigenleute gehalten hat, welches zum Erbarmen ist, angesehen, dass uns Christus alle mit seinem kostbaren vergossenen Blut erlöst und erkauft hat (Jesaias 53 1, Pet. 1 1, Cor. 7, Röm. 13), den niederen Hirten ebensowohl als den Allerhöchsten, keinen ausgenommen. Darum erfindet sich in der Schrift, dass wir frei sind, und wir wollen frei sein (Weish. 6 1, PTE. 2). Nicht das wir gar frei sein, keine Obrigkeit haben wollen; das lehret uns Gott nicht. Wir sollen in Geboten leben, nicht in freiem fleischlichen Mutwillen (5. Mos. 6, Matt. 4), sondern Gott lieben als unseren Herrn, in unseren Nächsten ihn erkennen und alles das ihnen tun, was wir auch gern hätten, wie uns Gott am Nachtmahl geboten hat zu einer Letze (Lucä 4 6, Matth. 5, Joh. 13). Darum sollen wir nach seinem Gebot leben. Dies Gebot zeigt und weist uns nicht an, dass wir vor der Obrigkeit nicht gehorsam seien. Nicht allein vor der Obrigkeit, sondern vor jedermann sollen wir uns demütigen (Röm. 13). Wenn wir auch gerne unserer erwählten und gesetzten Obrigkeit, so uns von Gott gesetzt ist (Apostelgesch. 53), in allen ziemlichen und christlichen Sachen gehorsam sin; wir sind auch außer Zweifel, Ihr werdet uns der Leibeigenschaft als wahre und rechte Christen gern entlassen oder uns aus dem Evangelium dessen berichten, dass wir leibeigen sind.

Vierter Artikel

Zum Vierten ist bisher im Brauch gewesen, dass kein armer Mann Gewalt gehabt hat, das Wildbret, Geflügel oder Fische im fließenden Wasser zu fangen, was uns ganz unziemlich und unbrüderlich dünkt, eigennützig und dem Worte Gottes nicht gemäß. Auch hegt in etlichen Orten die Obrigkeit das Gewild uns zu Trutz und mächtigem Schaden, weil wir leiden müssen, dass das Unsere, was Gott dem Menschen zu Nutz hat wachsen lassen, die unvernünftigen Tiere zu Unnutz mutwillig verfressen, und wir sollen dazu stillschweigen, was wider Gott und den nächsten ist. Denn als Gott der Herr den Menschen schuf, hat er ihm Gewalt gegeben über alle Tiere, über den Vogel in der Luft und über die Fische im Wasser (1. Mos. 1, Apostelgesch. 19, 1, Tim. 4, 1, Cor. 10, Coloss. 2). Darum ist unser Begehren: wenn einer ein Wasser hätte, dass er es mit genugsamer Schrift, als unwissentlich erkauft, nachweisen mag; solches begehren wir nicht mit Gewalt zu nehmen, sondern man müsste ein christliches Einsehen darein haben, von wegen brüderlicher Liebe. Aber wer nicht genugsame Beweise dafür anbringen kann, soll es ziemlicherweise an die Gemeinde zurückgeben.

Fünfter Artikel

Zum fünften sind wir auch beschwert der Beholzung halb, denn unsere Herrschaften haben sich die Hölzer alle allein zugeeignet und wenn der arme Mann etwas bedarf, muss er‘s ums doppelte Geld kaufen. Unsere Meinung ist, was für Hölzer Geistliche oder Weltliche, die sie immer haben, nicht erkauft haben, die sollen einer ganzen Gemeinde wieder anheimfallen, und einem jeglichen aus der Gemeinde soll ziemlicherweise frei sein, daraus seine Notdurft ins Haus umsonst zu nehmen, auch zum Zimmern, wenn es vonnöten sein würde, soll er es umsonst nehmen dürfen, doch mit Wissen derer, die von der Gemeinde dazu erwählt werden, wodurch die Ausreutung des Holzes verhütet werden wird. Wo aber kein Holz vorhanden wäre, als solches, das redlich erkauft worden ist, so soll man sich mit den Käufern brüderlich und christlich vergleichen. Wenn aber einer das Gut anfangs sich selbst zugeeignet und es nachmals verkauft hätte, so soll man sich mit den Käufern vergleichen nach Gestalt der Sache und Erkenntnis brüderlicher Lieb und Heiliger Schrift.

Sechster Artikel

Zum sechsten ist unsere harte Beschwerung der Dienste halb, welche von Tag zu Tag gemehrt werden und zunehmen. Wir begehren, dass man darein ein ziemliches Einsehen tue und uns dermaßen nicht so hart beschwere, sondern uns gnädig hierein ansehe, wie unsere Eltern gedient haben, allein nach laut des Wortes Gottes (Röm. 10).

Siebenter Artikel

Zum siebenten wollen wir hinfür uns von einer Herrschaft nicht weiter beschweren lassen, sondern wie es eine Herrschaft ziemlicherweise einem verleiht, also soll er es besitzen, laut der Vereinigung des Herrn und des Bauern. Der Herr soll ihn nicht weiter zwingen und dringen, nicht mehr Dienste noch anderes von ihm umsonst begehren (Luc. 3, Thess. 6), damit der Bauer solch Gut unbeschwert, also geruhlich brauchen und genießen möge; wenn aber des Herren Dienst vonnöten wäre, soll ihm der Bauer willig und gehorsam vor anderen sein, doch zu Stund und Zeit, da es dem Bauern nicht zum Nachteil diene, und soll ihm einen ziemlichen Pfennig den Dienst tun.

Achter Artikel

Zum achten sind wir beschwert, und derer sind viele, so Güter innehaben, indem diese Güter die Gült (gemeint ist die Pacht – der Autor.) nicht ertragen können und die Bauern das ihrige darauf einbüßen und verderben. Wir begehren, dass die Herrschaft diese Güter ehrbare Leute besichtigen lasse und nach der Billigkeit eine Gült erschöpfe, damit der Bauer seine Arbeit nicht umsonst tue, denn ein jeglicher Tagwerker ist seines Lohnes würdig (Matth. 10).

Neunter Artikel

Zum neunten sind wir beschwert der großen Frevel halb, indem man stets neue Ansätze macht, nicht dass man uns straft nach Gestalt der Sache sonder zu Zeiten aus großem Neid und zu Zeiten aus großer parteilicher Begünstigung anderer. Unsere Meinung ist, uns nach alter geschriebener Straf zu strafen, je nachdem die Sache gehandelt ist, und nicht parteiisch (Jesai. 10, Ephes. 6, Luc. 3, Jer. 16.).

Zehnter Artikel

Zum zehnten sind wir Beschwert, dass etliche sich haben zugeeignet Wiesen und Äcker, die doch einer Gemeinde zugehören. Selbige werden wir wieder zu unserer Gemeinden Handen nehmen, es sei denn die Sache, dass man es redlich erkauft hätte; wenn man es aber unbilligerweis erkauft hätte, soll man sich gütlich und brüderlich miteinander vergleichen nach Gestalt der Sache.

Elfter Artikel

Zum elften wollen wir den Brauch, genannt der Todfall ((Der Todfall oder das Mortuarium war eine beim Tod eines Leibeigenen fällige Naturalabgabe, bei der meist entweder das beste Stück Vieh (Besthaupt) oder das beste Kleidungsstück (Bestkleid) an den Grundherren abzugeben war.)), ganz und gar abgetan haben, nimmer leiden noch gestatten, dass man Witwen und Waisen das Ihrige wider Gott und Ehren also schändlich nehmen und sie berauben soll, wie es an vielen Orten in mancherlei Gestalt geschehen ist. Von dem, was sie beschützen und beschirmen sollten, haben sie uns geschunden und geschaben, und wann sie ein wenig Fug hätten gehabt, hätten sie dies gar genommen. Das will Gott nicht mehr leiden, sondern das soll ganz ab sein, kein Mensch soll hinfür beim Todfall schuldig sein, etwas zu geben, weder wenig noch viel (5. Mos. 13, Matth. 8, 23, Jes. 10).

Beschluss

Zum zwölften ist unser Beschluss und endliche Meinung: Wenn einer oder mehrere der hier gestellten Artikel dem Worte Gottes nicht gemäß wären, so wollen wir, wo uns selbige Artikel mit dem Worte Gottes als unziemlich nachgewiesen werden, davon abstehen, sobald man es uns jetzt mit Grund der Schrift erklärt. Und ob man uns gleich etliche Artikel jetzt schon zuließe, und es befände sich hernach, dass sie unrecht wären, so sollen sie von Stund an tot und ab sein, nichts mehr gelten. Desgleichen, wenn sich in der Schrift mit der Wahrheit mehr Artikel fänden, die wider Gott und dem Nächsten zur Beschwernis wären, wollen wir uns diese auch vorzubehalten beschlossen haben und uns in aller christlicher Lehre üben und brauchen, darum wir Gott den Herren bitten wollen, der uns dasselbige geben kann und sonst niemand. Der Friede Christi sei mit uns allen.

Im Zeichen des Regenbogen – Die Schlacht von Bad Frankenhausen und Thomas Müntzer

Am Vorabend der Schlacht

Das Heer der Aufständischen wuchs immer weiter an. Am 3. Mai stießen Bauern aus den Grafschaften Schwarzburg, Stolberg und Mansfeld dazu. Insgesamt soll das Bauernheer etwa 4.000 Mann stark gewesen sein. Die Grafen von Schwarzburg und Stolberg unterwarfen sich deshalb erst einmal dieser Macht. Allerdings traf der von Thomas Müntzer versprochene starke Haufen nicht ein. Müntzer verlor so kurzzeitig an Einfluss und gemäßigte Kräfte übernahmen für wenige Stunden die Führung und die Plünderungen der umliegende Schlösser und Klöster wurden eingestellt.

Die aufständischen Bauern aus der näheren Umgebung wurden auf Abruf beurlaubt. Am 4. Mai vereinigten sich Teilnehmer des Eichsfeldzuges mit den Aufständischen Bad Fankenhausens. Als Graf Ernst II. von Mansfeld am gleichen Tag das Dorf Ringleben niederbrennen ließ, begannen die Bauern wieder mit den Plünderungen der Klöster. Bis zum 12. Mai waren alle Klöster zwischen dem Harz, der Unstrut und der Saale ausgeplündert – darunter auch noch heute bekannte wie etwa Kloster Walkenried, Kloster Michaelstein und Kloster Himmelpforte wurden niedergebrannt.

Bild: Aufständische Bauern mit Bundschuhfahne umzingeln einen Ritter. Holzschnitt des sog. Petrarca-Meisters aus dem Trostspiegel, 1539. Dieses Bild ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

Bild: Aufständische Bauern mit Bundschuhfahne umzingeln einen Ritter. Holzschnitt des sog. Petrarca-Meisters aus dem Trostspiegel, 1539.
Dieses Bild ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

Bedrängt durch seinen Weggefährten Heinrich Pfeiffer zog Thomas Müntzer mit etwa 300 bis 400 Mann am 10. Mai von Mühlhausen nach Bad Frankenhausen. Müntzer führte nur 8 leichte Feldgeschütze mit sich ((Die Bauernheere in Mitteldeutschland konnten anders als die in Süddeutschland nicht auf ausgebildete Schützen mit Büchsen zurückgreifen. Ihnen und ihren Führern fehlte es an jeglicher Kriegserfahrung und natürlich auch an Erfahrung im Umgang mit Technik. Allein um Pulver für die Kanonen zu beschaffen, musste Müntzer einen Boten mit 900 Gulden nach Nürnberg schicken. Der Bote kam – wie nicht anders zu erwarten – nie zurück.)). Das kleine Heer trug eine weiße Fahne mit einem aufgemalten Regenbogen und der Inschrift VERUM DOMINI MANEAT IN AETERNUM (Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit). Graf Albrecht VII. von Mansfeld agierte derweil sehr geschickt mit Wort und Schwert.

Er verhandelte mit den Bauern und Städtern, versprach den Bergleuten Privilegien und hielt sie damit vom Überlaufen zu den Aufständischen ab. Im Harz verängstige er die Bauern mit vereinzelt auftretenden kleinen Reitertruppen. Gleichzeitig ließ Albrecht eine starke Truppe von zuverlässigen Söldnern zusammenstellen und zog mit dieser Richtung Osterhausen.

Dort kam es zu einer Schlacht, bei der etwa 70 Bauern fielen. Die Überlebenden zogen sich Richtung Bad Frankenhausen zurück. Albrechts Sieg konnte den Übergriff des Aufstands in das rechtssaalische Gebiet verhindern – und bewirkte zudem, dass sich die Kampflaune der Bauern deutlich abkühlte.

In Bad Frankenhausen angekommen erklärte Thomas Müntzer den Aufständischen ohne Umschweife, dass Graf Albrecht nur mit Betrug arbeite. An den protestantischen Grafen Albrecht VII. von Mansfeld schrieb er: „Furcht und Zittern sei einem jeden, der übel tut. Meinst Du, dass Gott der Herr sein unverständig Volk nicht erregen könne, die Tyrannen abzusetzen in seinem Grimm. Meinst Du, dass Gott nicht mehr an seinem Volk, denn an euch Tyrannen gelegen? Willst Du erkennen Daniel 7, wie Gott die Gewalt der Gemeine gegeben hat, und vor uns erscheinen, so wollen wir Dich für einen gemeinen Bruder haben: wo nicht, so werden wir wider Dich fechten wie wider einen Erzfeind des Christenglaubens.“

An Albrechts katholischen Verwandten Ernst II. von Mansfeld schrieb er in noch schärferem Ton: „Du sollst in sicherem Geleit, Deiner offenbaren Tyrannei Dich vor uns entschuldigen; wirst Du ausbleiben, so sollst Du ausgereuthet (gemeint ist ausgerottet – der Autor) werden.“ Beide Schreiben waren unterzeichnet mit THOMS MÜNTZER MIT DEM SCHWERT GIDEONS. Thoms Müntzer schrieb sich offenbar in Rage – und endgültig um Kopf und Kragen.

Die Scharmützel des 14. Mai 1525

Da der Adel in Thomas Müntzer nunmehr den ärgsten Feind ihres Standes und ihrer Privilegien sah, wandten sie alle Kraft darauf, ihn gefangen zu nehmen. Landgraf Philip von Hessen – erst 21 Jahre alt – verlegte sein vereinigtes hessisch-braunschweigisches Heer nach Heldrungen. Hier hatten sich in der Festung des Grafen Ernst II. von Mansfeld verschiedene Adelige vor den Bauern verschanzt. Am 13. Mai vereinigte er seine Truppen mit mainzischen und brandenburgischen Söldnern. Zu dieser Streitmacht kam zwei Tage später noch das Heer der sächsischen Albertiner.

Am 14. Mai kam es zu ersten Scharmützeln mit Müntzers Bauernheer bei Bad Frankenhausen. Die Bauern konnten diese ersten Angriffe der Söldner noch abwehren, aber ihre Lage war außerordentlich schwierig. Weitere Hilfe durch neue Bauerntruppen war nicht zu erwarten, denn die anderen Bauernheere waren bereits in Auflösung begriffen. Das clevere Handeln des Grafen Albrecht hatte ihre Moral bereits stark geschwächt.

Bild: Landgraf Philip I. von Hessen auf einem Gemälde eines unbekannten Künstlers - Kunsthistorisches Museum Wien. Dieses Bild ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

Bild: Landgraf Philip I. von Hessen auf einem Gemälde eines unbekannten Künstlers – Kunsthistorisches Museum Wien.
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Allerdings schätzten die Aufständischen ihre Lage anders ein: Nach der Abwehr der Truppen des Adels hielten sie ihren Feind für geschwächt. Am 14. Mai 1525 bezog ein Großteil des Bauernheeres den heu so genannten Schlachtberg oberhalb der Stadt Bad Frankenhausen und bauten dort eine Wagenburg auf. Die Bauern nahmen auch Kanonen aus der Stadt Bad Frankenhausen mit und postierten sie auf dem Schlachtberg. Am Abend des gleichen Tages forderte Landgraf Philip von Hessen die Bauern auf, ihre Waffen niederzulegen und Thomas Müntzer auszuliefern.

Es gab tatsächlich Hauptleute, die sich auf Verhandlungen mit dem Landgrafen einließen und – heute allerdings nicht mehr genau nachvollziehbar – eine Waffenruhe aushandelten. Philip von Hessen nutzte diese Waffenruhe zur Vorbereitung des Angriffes auf die Wagenburg und brachte seine zahlreichen Kanonen in Stellung. Seine Landsknechte stellte Philip so auf, dass eine Flucht aus der Wagenburg unmöglich war.

Bild: Wagenburg im 15. Jahrhundert aus dem mittelalterlichen Hausbuch der Sammlung der Fürsten von Waldburg Wolfegg. Dieses Bild ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist

Bild: Wagenburg im 15. Jahrhundert aus dem mittelalterlichen Hausbuch der Sammlung der Fürsten von Waldburg Wolfegg.
Dieses Bild ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist

Die Schlacht bei Bad Frankenhausen vom 15. Mai 1524

Am nächsten Tag, dem 15. Mai 1525 standen insgesamt etwa 8.000 spärlich bewaffnete Bauern – sie hatten als Waffen nur Sensen, Sicheln und Gabeln – sowie Bergarbeiter mit Kurzschwertern, Hellebarden und Lanzen ((Die Bergknappen hatten im Gegensatz zu den Bauern das Recht, Waffen zu tragen.)) einem gut bewaffneten Heer von mindestens 6.000 Landsknechten unter dem Oberbefehl des Landgrafen Philip von Hessen gegenüber ((Der Historiker Wilhelm Zimmermann schrieb in seiner großartigen Abhandlung über den Bauernkrieg sogar von 11.000 Söldnern auf Seiten des Philip von Hessen.)). Zwischen den kriegsführenden Parteien wurde nochmals ein Waffenstillstand von drei Stunden vereinbart.

Der moralische Zustand des Bauernheeres war ebenfalls nicht der Beste. Während ein Teil der Aufständischen sofort losschlagen wollte, suchte der andere sein Heil in Verhandlungen. Hier wirkte sich die Beteiligung der wenigen Adeligen – unter ihnen ein Graf Wolfgang von Stolberg – am Bauernaufstand nicht gerade positiv aus, denn gerade diese Adeligen waren die Fürsprecher der Friedensangebote. Die Lage Müntzers und seiner Hauptleute wurde durch die Spaltung des Bauernheeres immer bedenklicher, zumal der Landgraf den Bauern Milde in Aussicht stellte, wenn sie Ihre Anführer auslieferten.


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Graf Wolfgang von Stolberg sowie Hans von Werther und Kaspar von Rüxleben wurden vom Bauernheer als Unterhändler in das fürstliche Lager geschickt. Die Bauern – von der göttlichen Gerechtigkeit beseelt – baten währen der Verhandlungen um die Auslieferung Müntzers und seiner Hauptleute auch um Gerechtigkeit und Straffreiheit für Thomas Müntzer. Der Landgraf von Hessen dachte jedoch nicht daran und behielt Wolfgang von Stolberg und Kaspar von Rüxleben als Geiseln zurück.

Durch Hans von Werther ließ er den Bauern ausrichten, dass er die Auslieferung Müntzers und das kampflose Ergeben der Aufständischen ohne Wenn und Aber fordere. Die Stimmung im Lager auf dem Schlachtberg bei Frankenhausen wurde für Thomas Müntzer immer schwieriger, sodass er sich ständig auch innerhalb des Bauernheeres ständig mit seinen Leibwächtern umgab. Einen der Edelmänner, der vermeintlich Stimmung gegen ihn machte, ließ Thomas Müntzer – nach einvernehmlichem Urteil seiner Getreuen – inmitten der Wagenburg kurzerhand enthaupten.

Nach dieser Hinrichtung ließ Müntzer ein letztes Mal sein Charisma spielen: In einer wortgewaltigen Predigt stachelte er SEIN Bauernheer zum Kampf gegen die Übermacht der Truppen des Landgrafen an. Er machte den Aufständischen klar, dass die Fürsten ihre Pracht und ihren ausschweifenden Lebenswandel nur auf der Unterdrückung der Armen beruhte. Die Predigt war – ganz im Sinne seiner Zeit – mit Zitaten aus der biblischen Geschichte durchsetzt. Während der um die Mittagszeit abgehaltenen Predigt soll sich bei blauem Himmel ein schillernder Regenbogen um die Sonne gezeigt haben.

Genau dieser Regenbogen wurde zum unvergesslichen Symbol des Bauernkrieges in Mitteldeutschland, weil er auch seit einiger Zeit das Symbol des Aufstandes und ein Feldzeichen der Bauern war. Die Predigt Müntzers zog die versammelten Menschen zweifellos in seinen Bann. Die ohnehin Begeisterten sahen sich in ihrer Haltung bestärkt – und die Zweifelnden trauten sich nicht mehr, ihre Bedenken zu äußern. Das 16. Jahrhundert war schließlich eine Zeit voller Mythen, in der die Menschen noch sorgsam und ehrfürchtig auf Himmelszeichen achteten.

Noch während des Waffenstillstandes umzingelten die Truppen des Landgrafen Philip von Hessen die Wagenburg des aufständischen Bauernheeres. Das Fehlen der als Geiseln gehaltenen Adeligen Wolfgang von Stolberg und Kaspar von Rüxleben wirkte sich verheerend auf die Führung des Bauernheeres aus. Der gerade einmal einundzwanzigjährige Philip von Hessen hingegen ritt ständig an der Front seiner Truppen auf und ab und ermahnte sie zur besonderen Tapferkeit.

Zu seiner Kriegsführung gehörte es, seine Kanonen und Geschütze urplötzlich und noch während der Zeit der vereinbarten Waffenruhe gegen die Wagenburg der Bauern abzufeuern. Dies versetzte die Aufständischen in eine heillose Panik und die Flucht vor dem furchtbaren Beschuss setzte ein. So schnell wie Müntzer die Bauern für den Kampf begeistern konnte, so schnell schwand auch ihre Begeisterung und ein Großteil von ihnen versuchte dem wahrlich biblischen Inferno aus Feuer, Lärm und Blut zu entkommen. Auch ein Thomas Müntzer mit seiner charismatischen Ausstrahlung konnte die Flucht nicht stoppen.

Die Masse der Aufständischen – unter ihnen Thomas Müntzer – versuchte in die befestigte Stadt Frankenhausen zu flüchten, was jedoch nur wenigen gelang. Ein Großteil der Flüchtigen wurde in der so genannten BLUTRINNE vor der Stadt gestellt und niedergemetzelt. Auch Thomas Müntzer erreichte Frankenhausen und versteckte sich auf einem Hausboden.

Dort hüllte er sich in vorgefundene Tücher und simulierte einen fieberndenden Kranken. Für die Truppen des Landgrafen war es ein Leichtes in die Stadt einzudringen und dort einen weiteren Teil der Aufständischen zu töten. Die moderne Geschichtsforschung geht von mindestens 6000 gefallenen Bauern im Verlaufe der Schlacht von Bad Frankenhausen aus. Dem Bauernheer wurde neben der mangelhaften Bewaffnung und Kampferfahrung letztlich zum Verhängnis, dass ihm eine militärisch geschulte Führung fehlte.

Nach der Schlacht bei Bad Frankenhausen – Thomas Müntzers Ende

Am 16. Mai 1526 wurden 300 der gefangenen Aufständischen in Bad Frankenhausen vor dem Rathaus durch Enthaupten hingerichtet. Eine Fürbitte der Frauen von Bad Frankenhausen, die Gefangenen zu begnadigen, wurde abgelehnt. Am folgenden Tag wurden selbst einige der Amtspersonen der Stadt auf die Richtstätte geführt und ebenfalls geköpft. Thomas Müntzer wurde durch einen Knecht des Ritters Otto von Ebbe auf dem Dachboden entdeckt. Der Knecht erkannte Müntzer zwar nicht, fand aber dessen Tasche und durchsuchte sie.

In der Tasche fand er die Briefe des Grafen Albrecht von Mansfeld an die aufständischen Bauern. Damit war Müntzer enttarnt und verloren. Otto von Ebbe brachte Thomas Müntzer in das Feldlager der Adeligen. Dort wurde ihm die Frage gestellt, weshalb er das arme Volk verführt und ins Unglück gestürzt hätte. Müntzer antwortete gefasst und trotzig, dass er es tun musste, um die Fürsten wegen ihres unchristlichen Verhaltens zu strafen und die Menschheit zu retten. An der verlorenen Schlacht sei er unschuldig. Und: Das hätten die Bauern selbst so haben wollen.

Bild: Thomas Müntzer in einem Stich von Christoph van Sichem. Dieses Bild ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

Bild: Thomas Müntzer in einem Stich von Christoph van Sichem.
Dieses Bild ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

Müntzer wurde daraufhin gefoltert und legte unter den Qualen ein Teilgeständnis ab. Auch verriet er die Namen einiger seiner Vertrauten, allerdings waren diese allesamt in der Schlacht von Bad Frankenhausen gefallen. Zu einem heute nicht mehr bestimmbaren Zeitpunkt wurde er im heute so genannten MÜNTZERTURM auf der Wasserburg Heldrungen eingekerkert.

Dort schrieb Thomas Müntzer trotz der Qualen einen letzten Brief an die Aufständischen in Mühlhausen, in dem er auf ein Ende des Aufstandes drängte. Müntzer – im vollen Bewusstsein der kommenden Hinrichtung – bat aber auch darum, seine Frau zu verschonen und ihr das gemeinsame kleine Gut zu lassen. Der sonst so stürmische Thomas Müntzer war gebrochen! Zeitweise erfasste ihn im MÜNTZERTURM in der Festung Heldrungen – die seinem Erzfeind Graf Ernst von Mansfeld gehörte – ein heftiges Wundfieber.

Bild: Der Müntzerturm in der Wasserburg zu Heldrungen.

Bild: Der Müntzerturm in der Wasserburg zu Heldrungen.

Das Heer des Landgrafen Philip von Hessen zog unterdessen von Bad Frankenhausen über Seebach bei Eisenach und dann wieder Richtung Norden über Schlotheim, wo es sich mit den Landsknechten des Kurfürsten Johann von Sachsen und dem seines Sohnes vereinigte. Mühlhausen in Thüringen war noch die einzige Stadt, die Widerstand gegen die Fürsten leistete. Die Bauernhaufen aus Oberfranken, die den Mühlhäusern zu Hilfe eilen wollten, wurden im Thüringer Wald durch die Reiterei des Landgrafen aufgerieben. Wohl versuchten noch einige kleine Bauernhaufen durch wenige nächtliche Überraschungsangriffe das Heer des Landgrafen zu schwächen, aber diese Übergriffe blieben erfolglos. Ab dem 19. Mai 1525 wurde Mühlhausen durch das starke vereinigte Ritterheer von drei Seiten belagert.

Auch in Mühlhausen zeigten sich bald nach dem Auftauchen des Ritterheeres erste Auflösungserscheinungen unter den 1.200 bewaffneten und an sich gut bevorrateten Bürgen der Stadt. Die Verhandlungsbereitschaft der Belagerten wuchs, nachdem eine Bresche in die Stadtmauer geschossen und der Sturm auf Seiten des Adels vorbereitet wurde. Der Kommandant des Aufstandes – Hans Pfeifer – sowie etwa 400 seiner Getreuen suchten in der Nacht zum 24. Mai 1524 ihr Heil in der Flucht.

Die verhandlungsbereiten Belagerten sahen am Morgen mit Bestürzung, dass ihr Hauptpfand für eine Beendigung der Belagerung nicht mehr da war. Ihnen blieb nichts weiter übrig, als 600 ihrer Frauen mit lumpigen Kleidern, offenem Haar und barfuß – wie Büßer – und 500 Jungfrauen mit Wermutkränzen in das Lager des Philip von Hessen zu schicken und um Gnade zu erbitten. Im Lager wurden die Bittstellerinnen erst einmal mit Brot und Käse versorgt. Sie übergaben den Fürsten einen Brief, in dem die reumütige Stadt Mühlhausen bat, alle Unschuldigen zu schonen. Die Fürsten verlangten daraufhin, dass die Männer persönlich kommen müssten.

Und tatsächlich erschienen die männlichen Bürger der Stadt Mühlhausen vor den Fürsten: barfuß, barhäuptig und mit weißen Stäben sowie dem symbolischen Schlüssel zur Stadt in der Hand. Die Stadt Mühlhausen wurde kampflos übergeben. Sobald die Truppen des Philip von Hessen einzogen, wurden alle Bürger gezwungen, ihre Waffen abzugeben. Der ewige Rat wurde abgestzt und der Bürgermeister Sebastian Kühnemund sowie eine weitere Anzahl Bürger hingerichtet.

Die äußeren Teile der Stadtmauer Mühlhausens wurden geschleift und die alte und ehemals so stolze Reichsstadt wurde zu einer Fürstenschutzstadt gemacht. Für jeden der der Fürsten wurde ihr ein Tribut von 3000 Goldgulden jährlich auferlegt. Dazu kam die Entschädigung aller Adeligen im Eichsfeld und der Grafschaft Schwarzburg. Die Schatzkammer wurde geplündert, alle Waffen und Pferde requiriert. Dazu kam ein Schutzzahlung von 40.000 Gulden, um eine Brandschatzung der Stadt Mühlhausen zu verhindern. Thomas Müntzers schwangere Frau wurde von einer Ritter in aller Öffentlichkeit sexuell genötigt. Martin Luther sagte zu diesen Vorgängen: „Ich habe beides gesorgt, würden die Bauern Herren, so würde der Teufel Abt werden, würden aber solche Tyrannen Herren, so würde seine Mutter Äbtissin werden.“ (Quelle: /1/)

Der flüchtige Hans Pfeifer und seine Getreuen wurden durch Wolf vom Ende gestellt. Hans Pfeifer und 92 seiner Mitstreiter wurden gefangen genommen, in das Lager der Fürsten vor Mühlhausen gebracht und dort unmittelbar enthauptet. Auch Thomas Müntzer wurde aus dem Turm auf der Festung zu Heldrungen geholt und in in Ketten geschmiedet in einem Karren nach Mühlhausen gefahren. Dort angekommen und im Angesicht seiner Richtstatt sowie gezeichnet von den Qualen der Folter auf der Festung Heldrungen hielt Müntzer noch einmal eine flammende und mit Zitaten aus der Bibel gespickte Rede, in der er den Adel anklagte und zu einem besseren Verhältnis zu den Untertanen aufforderte. Danach wurde Thomas Müntzer enthauptet. Herzog Heinrich von Braunschweig betete ihm das Vaterunser vor.

Der Reformator Martin Luther konnte seine Schadenfreude über Müntzers gewaltsamen Tod nicht verhehlen. Er sah in Thomas Müntzer „keine Spur von Reue, nichts als Trotz und Verstocktheit bis ans Ende“ (Quelle /1/). Nichts desto Trotz hatte Müntzer bis weit über seinen Tod eine treue Anhängerschar. Noch heute muss Thomas Müntzer wegen seiner Ansichten und seines Einsatzes für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit als eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Renaissance und als einem der Vorreiter des modernen Verständnisses elementarer Menschenrechte in unserem deutschen Vaterland gelten.

Das Schicksal des Volkes nach dem Bauernkrieg

Der Reformator Martin Luther verdammte die Bauernkriege und ihre Rädelsführer als GOTTLOSE. Er selbst fühlte sich offenbar als Bauer, indem er sagte: „Ich bin eines Bauern Sohn; mein Vater, mein Großvater und mein Großvater sind rechte Bauern gewesen. Mein Vater ist nach Mansfeld gegangen und dort Hauer geworden.“ (Quelle: /1/). Luther unterstellte damit jedem, dass er den sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg schaffen konnte, wenn er nur wollte.

Das stimmte aber damals – wie auch heute – nur in sehr begrenztem Maße. Luthers – aus meiner Sicht falsche Haltung (der Autor) – hat der Reformation vieles an Kraft genommen, den an sich schon damals überflüssigen Adel gestärkt, und einen wirklichen gesellschaftlichen Fortschritt massiv gehemmt sowie Millionen von Menschen in die Unterdrückung getrieben. Der Adel konnte von nun an mit SEINEN Bauern verfahren, wie er wollte. Nach der Schlacht von Frankenhausen zum Beispiel erhielt der Herr von Berlepsch zwanzig Bauern zum Geschenk, um sich an ihnen sein Mütchen zu kühlen.

Dem Adel nutzte das Ergebnis des Bauernkrieges auf lange Sicht gar nichts. Mehr als hunderttausend Bauern gingen durch den Bauernkrieg, den Hunger und darauf folgende Seuchen, verloren. Viele der überlebenden Bauern wurden in die Knechtschaft und Abhängigkeit getrieben und auch die Verarmung und damit der Niedergang des Handwerkes waren eine der Folgen des Bauernkrieges. Der technische Fortschritt war damit im Gegensatz zu Ländern wie England deutlich behindert. Zudem verkam der Adel in Mitteldeutschland zusehends, denn er rieb sich in Religionskriegen – wie etwa dem Schmalkaldischen Krieg 1546 bis 1547 – auf.

Religiöse Gegensätze – es gab Protestanten und Katholiken – waren zementiert und die kaiserliche Zentralgewalt wurden nachhaltig und für Jahrhunderte geschwächt. Die Masse des Volkes hatte in den darauf folgenden Jahrzehnten immer wieder unter zahlreichen Glaubenskriegen zu leiden – bis hin zu den schweren Verwüstungen des Dreißigjährigen Kriegs. Seuchen wie etwa die Pest grassierten und forderten zusätzliche Opfer unter der Landbevölkerung. Jeder Adlige herrschte in seinem, meist kleinem Gebiet uneingeschränkt.

Für die Bauern bedeutete dies eine Unterordnung unter die Leibeigenschaft, die in Preußen erst im Jahre 1807 im Zuge der PREUSSISCHEN REFORMEN endgültig abgeschafft wurde. Die Bergarbeiter des Mansfelder Landes hatten größere Freiheiten, litten aber auch unter der Ausbeutung ihrer Herren. Die Bergarbeiter erhoben sich in den folgenden Jahrzehnten immer wieder wegen ihrer schlechten Lebensverhältnisse. Erst im 19. Jahrhundert gelang es den Bauern, sich allmählich aus ihrer Abhängigkeit von Grundherren zu befreien.

Der technische Fortschritt begann in dieser Zeit, den Adel mit seiner meist auf Grundbesitz ausgerichteten Wirtschaft in stürmischen Schritten zu überrollen. Es entstanden überall in Mitteldeutschland Fabriken, in denen die Menschen unabhängig vom Gutdünken eines Landesherren gutes Geld verdienen konnten. Wirklich lebenswert wurde es für die breite Masse der Bevölkerung erst wieder nach der Gründung des Deutschen Reiches mit der starken Zentralgewalt eines Kaisers im Jahre 1871 und den darauf folgenden Gründerjahren mit dem Aufstieg Deutschlands zur zweitgrößten Industrienation.

Externe Links

Philip I. von Hessen – WIKIPEDIA
http://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_I._(Hessen)
Die Zwölf Artikel – WIKIPEDIA
http://de.wikipedia.org/wiki/Zwölf_Artikel
Heinrich Pfeiffer – WIKIPEDIA
http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Pfeiffer_(Bauernführer)
Rückblick: Die Deutschen vom 28.11.2010 – ZDF
http://www.diedeutschen.zdf.de/ZDFde/inhalt/23/0,1872,8128439,00.html

Quellenangabe

/1/ Zimmermann, W.: „Der Grosse Deutsche Bauernkrieg
Volksausgabe“
Dietz Verlag Berlin
10. Auflage 1984
Best.-Nr. 736 178 6

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